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Roland Rebers Film Illusion aus dem Jahr 2013 ist ein außergewöhnliches Werk des deutschen Independent-Kinos, das in seiner Form und Aussage kaum Vergleichbares in der hiesigen Filmlandschaft findet. Der Film, produziert von der wtp international GmbH, die seit Jahren für kompromisslos freie Filmkunst steht, führt tief in die Seelenräume seiner Figuren und legt mit schonungsloser Offenheit deren Wünsche, Ängste und Sehnsüchte frei.


Acht Menschen treffen in einer Bar aufeinander, jeder von ihnen gefangen in einem Alltag, der von Verdrängung, Routine und emotionaler Leere geprägt ist. Für eine Nacht öffnen sich die Schleusen der Fantasie. Unterdrückte Begierden, verdrängte Erinnerungen und schmerzlich verschlossene Sehnsüchte treten zutage. In dieser Nacht verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Traum, zwischen Leben und Illusion. Roland Reber selbst beschreibt den Film als Reise durch drei Ebenen: die private Wirklichkeit der Figuren, die ruhigen, fast dokumentarischen Alltagssequenzen; die Bar als metaphysische Zwischenwelt, in der sich die Figuren begegnen und gegenseitig ihre Masken ablegen; und schließlich die Illusionen, die in ihren Köpfen entstehen und in sinnlich-expressiven Bildern umgesetzt werden.


Rebers Inszenierung ist geprägt von einem intensiven Wechselspiel zwischen sinnlicher Bildsprache und intellektueller Reflexion. Kamerafrau und Cutterin Mira Gittner schafft mit der Arri Alexa eine atmosphärisch dichte Bildwelt, die von leuchtenden, fast surreale Züge tragenden Farben bis hin zu kalten, entlarvenden Momenten reicht. Der Film wird dabei zu einem Spiegel des Inneren: jede Einstellung, jeder Schnitt, jeder Blick in die Kamera spiegelt das Spannungsverhältnis zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Besonders eindrucksvoll ist die Figur der Bardame, gespielt von Claire Plaut, die mit melancholischen Chansons und poetischen Texten wie eine Chorführerin durch die Seelenlandschaften der Figuren leitet.


Die Darstellerinnen und Darsteller, unter ihnen Carolina Hoffmann, Antje Nikola Mönning, Wolfgang Seidenberg und Marina Anna Eich, bilden ein Ensemble, das eng miteinander verflochten ist – nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera. Denn typisch für wtp international übernimmt jeder Mitwirkende mehrere Funktionen: Schauspiel, Produktion, Musik, Pressearbeit. Diese Arbeitsweise, fernab von Fördergeldern und Fernsehbeteiligungen, verleiht dem Film eine authentische Energie, die sich unmittelbar auf den Zuschauer überträgt.


Antje Nikola Mönning, die im Film die Psychologin Nikola spielt, komponierte zugleich die Musik. Ihre Kompositionen verleihen dem Werk eine zusätzliche emotionale Tiefe. Zwischen jazzigen Chansons, elektronischen Klangflächen und sakral anmutenden Chorälen entwickelt sich ein vielschichtiges Klangbild, das die Illusionen der Figuren nicht nur begleitet, sondern auch emotional vertieft. Besonders der Choral „Oramuste“ ist ein Beispiel für die Verbindung von Musik und Bild zu einer fast spirituellen Erfahrung. Die Tonspur in Dolby SR unterstreicht diese Wirkung mit klarer Abmischung und räumlicher Präsenz, die auf der Blu-ray hervorragend zur Geltung kommt.


Illusion ist kein Film, der sich passiv konsumieren lässt. Er fordert den Zuschauer heraus, mit eigenen Projektionen, Tabus und Ängsten in Kontakt zu treten. In seiner Mischung aus poetischer Symbolik, sinnlicher Körperlichkeit und ungeschminkter Direktheit erinnert der Film an das Kino von David Lynch, Luis Buñuel oder Lars von Trier, bleibt dabei aber unverkennbar ein Werk von Roland Reber. Er entwirft eine Art „deutsches Traumkino“, das mitunter verstörend, oft humorvoll, manchmal grotesk und immer zutiefst menschlich ist.


Auch die Rezeption des Films spiegelt diese Vielschichtigkeit wider. Die Süddeutsche Zeitung beschrieb ihn als Werk, das „wirkt, als hätten David Lynch und Helge Schneider zusammengearbeitet“. Das Filmmagazin Deadline sprach von einem „traumwandlerischen Seelenstriptease“, während kino.de ein „hocherotisches Ensemble-Drama“ erkannte. In der Tat bewegt sich Illusion auf einem schmalen Grat zwischen erotischem Experiment, philosophischem Essay und psychologischem Kammerspiel.


Die Blu-ray-Veröffentlichung von wtp international, die am 29. August 2014 erschien, wird diesem Anspruch in jeder Hinsicht gerecht. Der Film liegt in brillanter HD-Qualität vor, das Bild ist gestochen scharf und farbintensiv, ohne den filmischen Charakter zu verlieren. Der Ton präsentiert die Dialoge klar und lässt die Musik kraftvoll erklingen. Besonders das Bonusmaterial macht die Veröffentlichung zu einem kleinen Schatz für Filmfreunde: Interviews mit Cast und Crew, Produktionsnotizen und Behind-the-Scenes-Material gewähren einen tiefen Einblick in die Entstehungsgeschichte und die ungewöhnliche Arbeitsweise des Teams. Das Booklet der Erstauflage enthält zudem Hintergrundinformationen aus dem Presseheft, biografische Angaben und Zitate, die das Verständnis für Rebers Ansatz vertiefen.


Mit Illusion hat Roland Reber einen Film geschaffen, der den Menschen in seiner Zerbrechlichkeit, seiner Sehnsucht und seiner Selbstverleugnung zeigt – und ihn zugleich feiert. Es ist ein Film über das, was wir verbergen, und über das, was wir uns zu träumen erlauben. Die Blu-ray von wtp international dokumentiert nicht nur diesen Film, sondern auch eine Haltung zum Kino: unabhängig, frei, kompromisslos und mit einer selten gewordenen Leidenschaft für das Medium selbst.


So bleibt Illusion eine Einladung – an das Publikum, die eigenen Masken fallen zu lassen und zu erkennen, dass zwischen Himmel und Erde weit mehr existiert, als sich die Filmschulweisheit träumen lässt.