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Roland Rebers Die Wahrheit der Lüge (2011) ist ein kompromissloses Psychodrama, das sich zwischen philosophischer Parabel und klaustrophobischem Kammerspiel entfaltet. Der Film, der ohne Fördermittel und mit einem kleinen, eingeschworenen Team um die Produktionsfirma WTP International entstand, wurde erstmals auf den Internationalen Hofer Filmtagen 2011 gezeigt und danach auf internationalen Festivals in Goa, Pune und Sitges präsentiert.


Im Zentrum steht ein Autor (Christoph Baumann), der zwei Frauen – die Mutige (Marina Anna Eich) und die Zögerliche (Julia Jaschke) – in einem unterirdischen Labyrinth gefangen hält. Sein Ziel: sie an ihre Grenzen zu bringen, sie zu „erlösen“, wie er es nennt. Was zunächst wie ein perfides Machtspiel anmutet, wird bald zu einer existenziellen Untersuchung über Wahrheit, Illusion und das menschliche Bedürfnis nach Kontrolle. Die undurchsichtige Verlegerin (Antje Nikola Mönning) zieht im Hintergrund die Fäden und verschiebt die Machtverhältnisse immer wieder – bis der Autor selbst zum Gefangenen seines eigenen Experiments wird.


Wie in Rebers früheren Arbeiten (Engel mit schmutzigen Flügeln, 24/7 – The Passion of Life) verbindet sich auch hier provokantes Sujet mit einer inszenatorischen Strenge, die an Theater erinnert. Die Handlung spielt fast ausschließlich in einer stillgelegten Fabrikhalle, deren enge, beklemmende Räume zur visuellen Metapher für die menschliche Psyche werden. Kamerafrau und Cutterin Mira Gittner fängt das Geschehen mit einer fast hypnotischen Präzision ein: kaltes Licht, klares Framing und lange Einstellungen erzeugen eine Spannung, die nicht auf Schockeffekte, sondern auf psychologische Intensität setzt.


Christoph Baumann überzeugt als getriebener Autor, dessen intellektuelles Experiment in sadistische Willkür umschlägt, während Marina Anna Eich und Julia Jaschke als kontrastierende Gegenspielerinnen eine beeindruckende emotionale Bandbreite zeigen. Antje Nikola Mönning schließlich verleiht der Verlegerin eine Aura aus Macht und Unberechenbarkeit – sie ist Beobachterin, Manipulatorin und Schicksalsfigur zugleich.


Thematisch kreist der Film um die Frage, wo Wahrheit endet und Lüge beginnt – oder ob beides nicht längst untrennbar ineinander übergegangen ist. Reber nutzt das Setting als Allegorie auf Abhängigkeit, Selbsttäuschung und die Suche nach Sinn. „In jeder Lüge steckt die Wahrheit und in jeder Wahrheit die Lüge“, heißt es programmatisch – und genau dieses Spannungsfeld ist das Fundament des Films.


Die Blu-ray-Veröffentlichung von WTP International präsentiert Die Wahrheit der Lüge in hervorragender technischer Qualität. Das in HD mit der Arri Alexa gedrehte Bild kommt in gestochen scharfer Auflösung, die Details der Fabrikumgebung wirken plastisch und klar, während die Farbgestaltung bewusst kühl und kontrastarm gehalten ist, um die emotionale Kälte der Handlung zu spiegeln. Der Ton in Dolby SR unterstützt die klaustrophobische Atmosphäre durch gezielt eingesetzte Umgebungsgeräusche und präzise Raumakustik. Auch die Musik von Wolfgang Edelmayer und Eric Zwang-Eriksson fügt sich nahtlos ein – sie ist zurückhaltend, oft nur fragmentarisch, aber stets seelennah und unheilvoll.


Die Wahrheit der Lüge ist kein Film, der gefallen will. Er provoziert, fordert heraus und zwingt den Zuschauer zur Auseinandersetzung mit der eigenen Wahrnehmung. In einer Zeit, in der Wahrheit und Manipulation medial zunehmend verschwimmen, wirkt Rebers Werk fast prophetisch. Der Film ist unbequem, intensiv und zugleich ein eindrucksvolles Beispiel dafür, was unabhängiges deutsches Kino leisten kann, wenn es sich von allen Konventionen löst. Auf Blu-ray zeigt er sich in seiner ganzen formalen und inhaltlichen Schärfe – roh, direkt und kompromisslos ehrlich.