Sami Tamimis Boustany: Vegane und vegetarische Rezepte aus Palästina, erschienen bei DK, ist weit mehr als ein Kochbuch. Es ist ein sinnliches Eintauchen in eine Küche, die seit Jahrhunderten von der Fülle ihrer Felder, Gärten und Märkte lebt. Wer durch die Seiten blättert, spürt sofort, dass hier nicht versucht wird, Fleisch durch Ersatzprodukte zu kompensieren, sondern dass Gemüse, Hülsenfrüchte und Getreide ganz selbstverständlich im Mittelpunkt stehen. Palästina zeigt sich in diesem Buch als eine Region, deren kulinarische Sprache von Kichererbsen und Linsen, von Reis und Bulgur, von Olivenöl, Zitrusfrüchten und duftenden Gewürzen geprägt ist – eine Sprache, die ohne Umwege ins Herz und an den Gaumen geht.
Die Gestaltung trägt dazu bei, dass man sich sofort in diese Welt hineinversetzen kann. Großformatige Fotografien lassen Gerichte erstrahlen wie Stillleben; jedes Bild erzählt von Hitze, von der Sonne, die Gemüse reifen lässt, von den Farben der Märkte, von der Leichtigkeit einer mit Petersilie übersäten Schüssel. Die Rezepte sind klar strukturiert, präzise erklärt und dennoch von einer Wärme durchzogen, die das Kochen weniger wie eine Pflicht und mehr wie eine Einladung erscheinen lässt.
Beim Lesen steigen Düfte auf: gerösteter Blumenkohl, dessen Ränder im Ofen goldbraun karamellisieren, dazu eine Sauce aus Tahini, Zitronensaft und Knoblauch, deren Cremigkeit durch die spritzige Säure des Granatapfels kontrastiert wird. Oder Mujaddara, dieses schlichte, fast archaische Gericht aus Reis, Linsen und süßlich gebräunten Zwiebeln, das in seiner Bescheidenheit so reich an Tiefe ist, dass man versteht, weshalb es Generationen überdauert hat. Auch Salate wie Fattoush oder Taboulé leuchten in diesem Buch, nicht als Beilagen, sondern als Hauptdarsteller, die Frische, Säure und Kräuterfülle zu einer lebendigen Komposition verweben.
Was Tamimi gelingt, ist die Übersetzung einer kulinarischen Kultur in den Alltag einer modernen Küche. Viele Gerichte sind unkompliziert, oft braucht es nur ein Backblech, eine Handvoll Gewürze und etwas Geduld, bis sich Gemüse im Ofen in aromatische Intensität verwandelt. Gleichzeitig gibt es Rezepte, die Zeit und Hingabe verlangen: gefüllte Auberginen, liebevoll geschichtete Fatteh, aromatische Pickles. Sie erinnern daran, dass Kochen nicht nur Nahrungszubereitung ist, sondern auch Ritual, Gemeinschaft, Fest.
Zwischen den Rezepten finden sich Erzählungen, die dieses Buch mit einer besonderen Wärme erfüllen. Es sind kleine Fenster in das Alltagsleben Palästinas – in Familienküchen, auf Märkte, in Bäckereien. Man liest von alten Traditionen, von Zutaten, die mit Erinnerungen verbunden sind, von Gerichten, die mehr sind als Speisen, nämlich Träger von Geschichte und Identität. Dadurch wirkt Boustany nie wie ein reines Rezeptarchiv, sondern wie ein lebendiges Dokument, das Geschichten erzählt, während es satt macht.
Natürlich fordert das Buch auch ein wenig Neugier von seinen Leser:innen. Sumach, Zatar, Granatapfelsirup oder Freekeh stehen nicht unbedingt im Regal des nächsten Discounters. Doch genau hier beginnt das Abenteuer: auf der Suche nach neuen Aromen, die, einmal entdeckt, schnell unverzichtbar werden. Wer sich darauf einlässt, findet in Tamimis Werk nicht nur neue Rezepte, sondern auch eine neue Art, die pflanzliche Küche zu verstehen – nicht als Einschränkung, sondern als unerschöpfliche Quelle von Geschmack und Fülle.
Am Ende bleibt der Eindruck, dass Boustany ein Buch ist, das den Esstisch größer macht. Es verbindet Alltagsküche mit Festtagsfreude, es lehrt, wie man aus einfachen Zutaten aromatische Wunder schafft, und es vermittelt ein Stück kultureller Identität, das sich über den Geschmack mitteilt. Sami Tamimi zeigt, dass die palästinensische Küche in ihrer pflanzenbasierten Fülle nicht nur nahrhaft und gesund, sondern zutiefst poetisch ist. Wer kochen möchte, um zu genießen, zu teilen und Geschichten zu erzählen, wird in diesem Buch einen treuen Begleiter finden.