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Tabu - Die Verführung meiner Schwester

Seit ihrer Premiere hat Anne Sewitskys provokantes Drama „Tabu – Die Verführung meiner Schwester“ Zuschauer*innen gleichermaßen fasziniert und schockiert: Ein Tabubrecher par excellence, der die Versuchungen und Abgründe familiärer Nähe auslotet. Im Zentrum steht die 27-jährige Charlotte (Ine Marie Wilmann), eine zurückhaltende Ballettlehrerin, deren geordnetes Dasein in Norwegen ins Wanken gerät, als sie ihrem lange verschollenen Halbbruder Henrik (Simon J. Berger) begegnet. Was als vorsichtige Geschwisterliebe beginnt, entpuppt sich rasch als unstillbares Verlangen – ein Kammerspiel zwischen Schuld und Lust, das Sewitsky mit eindringlicher Intensität inszeniert.

Die Regie vermeidet sensationsheischende Effekte, stattdessen ruhige, beinahe kammerspielartige Einstellungen, die intime Nähe und das Ringen der Figuren miteinander spürbar machen. Sewitsky lässt die Kamera oft nah an den Protagonist*innen verweilen: ein flirrender Blick über Charlottes nackenlangen Haarschopf, ein Zittern in Henriks Hand, wenn er sie berührt. Diese behutsame Ästhetik – teils von kühler Tageslichtbeleuchtung, teils in warmen Interieurs – spiegelt das Spannungsfeld aus Verlangen und moralischer Verunsicherung wider. Jede Geste wird zum Zeugnis eines Konflikts, in dem Verlangen und Schuld untrennbar sind.

Ine Marie Wilmann gelingt eine fein austarierte Performance: Charlotte wirkt zunächst unschuldig, fast kindlich, doch Wilmann lässt im Lauf des Films Schichten aufbrechen, bis aus Furcht und Zurückhaltung reine Hingabe wird. Simon J. Berger bildet die perfekte Ergänzung: Henrik kommt als geheimnisvoller Fremder daher, dessen ungebrochene Sehnsucht nach Familie sich unversehens in ein tabubrechendes Begehren verwandelt. In Nebenrollen überzeugen zudem Jan Grey und Trine Amalie Henriksen als Charlottes Freundeskreis, deren Unverständnis und Ekel das Drama in die Enge treiben.
Thematisch wirft „Tabu“ zentrale Fragen auf: Wo verläuft die Grenze zwischen Liebe und Verbot? Wie gehen wir mit Sehnsüchten um, die unsere moralischen Kategorien sprengen? Der Film spart sich einfache Urteile – Charlotte und Henrik sind weder Märtyrer noch reines Objekt der Verwerfung, sondern komplex gebrochene Figuren, deren Entscheidung wir auf fundamentaler Ebene nachvollziehen können. Sewitsky verweigert jede voyeuristische Geste; stattdessen entsteht eine beklemmende Atmosphäre, die das Publikum unweigerlich in die moralische Zwickmühle hineinzieht.

Die neue Blu-ray-Edition der Busch Media Group bringt dieses kontroverse Meisterwerk nun erstmals in gestochen scharfem HD auf den heimischen Bildschirm. Das frisch restaurierte 1080p-Master enthüllt Details, die in bisherigen DVD-Transfers untergingen: von den zarten Falten in Charlottes Ballettkostümen bis zu den reflektierenden Lichtspielen auf Henriks Haut im dämmrigen Wohnzimmer. Die Farbkorrektur ist dezent, aber wirkungsvoll: kühle Blautöne in Außenszenen kontrastieren mit warmen, fast grellen Tönen in den Innenräumen – eine visuelle Unterstreichung des Spannungsfelds zwischen Ratio und Gefühl.

Akustisch überzeugt die Disc mit deutschsprachiger Synchronfassung und norwegischem Originalton, jeweils in DTS-HD Master Audio 2.0. Die Dialoge sind klar verständlich, und selbst die leisesten Atemzüge klingen natürlich. Als Bonusmaterial bietet die Edition einen deutschen und den Originaltrailer, eine Trailershow mit weiteren Titeln der Busch Media Group sowie ein stilvolles Wendecover für Sammler*innen. Die matt lackierte Amaray-Hülle trägt auf der Rückseite prägnante Informationen zum Film und zur Restaurierung, während das Wendecover mit einem atmosphärischen Artwork aufwartet, das Charlotte und Henrik in schemenhafter Umarmung zeigt.

In ihrer Gesamtheit ist die Busch-Blu-ray ein gelungenes Paket: technisches Hochglanzfinish trifft auf provokantes Autorenkino. Für Liebhaber*innen anspruchsvoller, tabubrechender Dramen gehört diese Edition unbedingt ins Heimkino. „Tabu – Die Verführung meiner Schwester“ mag inhaltlich an eine verbotene Grenze stoßen, doch filmisch erreicht Sewitsky hier eine neue Ebene intensiver Erzählkunst, die dank der Blu-ray nun in brillanter Qualität erlebbar ist.