Mit „Don’t Come Knockin’“ kehrt Wim Wenders zu jenem Genre zurück, das ihn weltberühmt gemacht hat: dem melancholischen amerikanischen Roadmovie. In enger Zusammenarbeit mit Sam Shepard, der nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern auch das Drehbuch schrieb, erzählt Wenders die Geschichte eines Mannes, der vor seiner eigenen Vergangenheit davonläuft – und sie schließlich wieder einholt. Die neue Blu-ray-Veröffentlichung von Studiocanal im Arthaus-Label präsentiert den Film nun in bestechender Bildqualität und macht deutlich, welch zeitlose Kraft in Wenders’ poetischer Filmsprache liegt.
Der Film beginnt mit einer Flucht: Howard Spence (Sam Shepard), ein alternder Westernstar, verlässt mitten in den Dreharbeiten seinen Film – und das im wahrsten Sinne des Wortes hoch zu Ross. Ohne Ziel, nur getrieben von einer plötzlichen Sehnsucht nach einem anderen Leben, reitet er davon. Sein Weg führt ihn zunächst zu seiner Mutter (Eva Marie Saint), die ihn nach dreißig Jahren Funkstille wieder empfängt – mit stiller Freude, aber auch einer gewissen Bitterkeit. Dort erfährt Howard, dass er einen Sohn hat, von dem er nie wusste. Diese Nachricht wird zum Ausgangspunkt einer Reise, die ihn quer durch den amerikanischen Westen führt – zu alten Lieben, verpassten Chancen und der Erkenntnis, dass man seiner Vergangenheit zwar begegnen, sie aber nicht ungeschehen machen kann.
Wenders inszeniert diese Suche nach Identität und Vergebung mit jener ruhigen, kontemplativen Handschrift, die sein Kino auszeichnet. Jeder Ort, jede Landschaft scheint mehr zu erzählen als die Figuren selbst. Der weite Himmel über Montana, die verlassenen Motels, die staubigen Straßen – sie alle spiegeln Howards innere Leere und seine zaghafte Hoffnung, irgendwo noch ein Stück Sinn zu finden. In diesem visuellen Kosmos findet Wenders wieder zu jener Bildpoesie, die ihn schon mit Paris, Texas zum Chronisten der amerikanischen Seele machte.
Sam Shepard spielt Howard Spence mit stoischer Zurückhaltung, als Mann, der viele Rollen gespielt, aber nie wirklich gelebt hat. In seinem Gesicht liegen Müdigkeit, Schuld und eine leise Sehnsucht nach Erlösung. Shepard, selbst Dramatiker und Country-Poet, verleiht der Figur eine Authentizität, die niemand sonst hätte erreichen können – man glaubt ihm jede gebrochene Geste, jedes Schweigen. An seiner Seite brilliert Jessica Lange als Doreen, Howards einstige Geliebte und Mutter seines Sohnes. Zwischen beiden entsteht ein komplexes Wechselspiel aus Nähe und Distanz, aus alter Wut und neuer Zärtlichkeit. Lange, mit ihrer unverwechselbaren Mischung aus Stärke und Verletzlichkeit, gibt dem Film sein emotionales Zentrum. Ihre Szenen mit Shepard – beide waren auch im echten Leben ein Paar – besitzen eine fast dokumentarische Ehrlichkeit.
Eine weitere herausragende Leistung bietet Tim Roth als zynischer Versicherungsdetektiv, der im Auftrag des Filmstudios hinter dem geflohenen Star her ist. Roths Auftritt bringt eine dunkle Ironie in den Film, ein ständiges Erinnern daran, dass Howards Flucht keine Romantik, sondern eine Tragödie ist. Der Gegensatz zwischen Roths kühler Rationalität und Shepards wortloser Verlorenheit macht den Film auf einer zweiten Ebene zu einem feinen Spiel über Illusion und Realität.
Die neue Blu-ray von Studiocanal, veröffentlicht unter dem traditionsreichen Arthaus-Label, präsentiert „Don’t Come Knockin’“ in exzellenter Bildqualität, die die prächtigen Cinemascope-Aufnahmen von Kameramann Franz Lustig in voller Brillanz zeigt. Der satte Himmel, die warmen Wüstenfarben und das Spiel aus Licht und Schatten entfalten hier ihre ganze Wirkung – ein echter Gewinn gegenüber früheren DVD-Fassungen. Auch der Ton überzeugt durch klare Dialoge und den atmosphärischen Score, zu dem T-Bone Burnett und Sam Shepard selbst beitrugen. Besonders erfreulich ist das umfangreiche Bonusmaterial, das einen Audiokommentar, Interviews mit Cast und Crew sowie Deleted Scenes umfasst. Diese Materialien gewähren tiefe Einblicke in die Entstehung des Films und in die enge kreative Beziehung zwischen Wenders und Shepard, die schon seit Paris, Texas bestand.
Inhaltlich ist „Don’t Come Knockin’“ ein stilles, manchmal lakonisches, aber immer berührendes Werk über Reue, Verantwortung und die Suche nach Sinn im Spätherbst des Lebens. Wenders zeigt keinen reißerischen Westernhelden, sondern einen gealterten Mann, der seine Lebenslügen langsam entblättert. Dabei gelingt ihm der seltene Spagat zwischen Melancholie und Humor – etwa in den Begegnungen mit den Menschen, die Howard einst zurückließ. Das Drehbuch von Shepard ist voller kleiner Wahrheiten über das Älterwerden, über Einsamkeit und den Versuch, Frieden zu schließen mit sich selbst.
„Don’t Come Knockin’“ wurde 2005 in Cannes uraufgeführt und dort mit Begeisterung aufgenommen. Kein Wunder: Kaum ein Regisseur versteht es wie Wenders, den amerikanischen Westen als Spiegel menschlicher Sehnsucht zu zeigen. Seine Bilder sind weit und einsam, seine Figuren verloren und doch voller Würde. Der Film ist ein elegisches Roadmovie über Versöhnung, getragen von einem Ensemble, das in jeder Szene Echtheit ausstrahlt.
Die neue Arthaus-Blu-ray von Studiocanal ist die bislang beste Möglichkeit, dieses Werk wiederzuentdecken – ein sorgfältig restauriertes, bildstarkes Stück Filmkunst, das beweist, dass Wenders auch in der Spätphase seines Schaffens nichts von seiner erzählerischen Kraft verloren hat.
Fazit:
„Don’t Come Knockin’“ ist ein leises Meisterwerk über das Älterwerden, die Last der Vergangenheit und die Suche nach Vergebung. Sam Shepard und Jessica Lange brillieren in einer der bewegendsten Rollen ihrer Karrieren, und Wim Wenders fängt den amerikanischen Westen mit unnachahmlicher Melancholie ein. Die neue Arthaus-Blu-ray von Studiocanal überzeugt technisch wie inhaltlich und bietet mit ihren Bonusfeatures einen echten Mehrwert. Ein Film wie ein Song über verpasste Gelegenheiten – traurig, schön und zutiefst menschlich.