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Wolverine: Der Ruf der Wildnis

Mit Wolverine: Ruf der Wildnis kehrt eine der ikonischsten Figuren des Marvel-Universums zu ihren Wurzeln zurück – wortwörtlich wie erzählerisch. Der neue Band inszeniert Logan nicht als Teil eines Superheldenteams oder inmitten globaler Bedrohungen, sondern als gealterten, verletzlichen Einzelgänger, der sich in die Wildnis Kanadas zurückgezogen hat. Doch selbst hier holt ihn die Vergangenheit erbarmungslos ein. In der Zusammenarbeit von Saladin Ahmed (Text) und Martín Cóccolo (Zeichnungen) entsteht ein atmosphärisch dichter, emotional roher und actiongeladener Neustart für den Berserker mit Herz.

Einsamkeit, Natur – und Gewalt

Logan hat die X-Men verlassen, enttäuscht vom endlosen Kreislauf aus Kämpfen, Verlusten und politischen Kompromissen. Stattdessen lebt er zurückgezogen in den endlosen Wäldern Kanadas, wo er die Gesellschaft von Wölfen und Stille der menschlichen Nähe vorzieht. Doch dieser vermeintliche Frieden ist trügerisch. Ein mysteriöser Killer taucht auf – nicht nur mit einem tödlichen Auftrag, sondern auch mit einem Körper, der bis zum Äußersten mit Adamantium verstärkt ist. Wolverine sieht sich gezwungen, wieder zur Bestie zu werden, die er zu vergessen versuchte.

Ahmeds Erzählung ist mehr als ein Racheplot – es ist ein Abstieg in die archaische, fast mythische Wildheit der Figur Wolverine. Die Natur wird dabei nicht nur zum Schauplatz, sondern zum Spiegel: unbarmherzig, erbarmungslos, ehrlich. Gleichzeitig schwingt eine leise Tragik mit, denn Logan erkennt, dass er selbst der Natur längst nicht mehr angehört – zu viel Mensch, zu viel Waffe.

Saladin Ahmed trifft den Ton

Saladin Ahmed gelingt es, die innere Zerrissenheit Logans einzufangen, ohne in Selbstmitleid oder Klischees abzudriften. Stattdessen steht die rohe Emotionalität im Vordergrund – das Ringen eines Mannes mit seiner eigenen Vergangenheit, seiner Unfähigkeit zur Heilung und seinem tief verwurzelten Instinkt, zu beschützen. Gerade in den ruhigeren Momenten, wenn Logan wortlos durch Schneelandschaften zieht oder sich mit einem Wolfsrudel anfreundet, entfaltet sich die poetische Kraft dieses Bandes.

Die Dialoge sind sparsam, aber prägnant. Jeder Satz sitzt, jede Andeutung trägt Gewicht. Ahmed versteht es, Logan nicht zu viel reden zu lassen – sondern seine Geschichte durch Handlungen, Rückblenden und Bildsprache zu erzählen.

Martín Cóccolo: Wucht und Weite

Visuell ist Ruf der Wildnis eine Wucht. Martín Cóccolos Zeichnungen sind kraftvoll, detailreich und gleichzeitig von einer bemerkenswerten Ruhe durchzogen. Die karge, verschneite Landschaft wirkt fast meditativ – bis sie in plötzlicher, brutaler Action zerreißt. Kampfszenen sind dynamisch und kompromisslos, aber nie überstilisiert. Besonders die Begegnung mit dem adamantiumgepanzerten Killer ist ein visuelles Highlight – ein Duell, das mehr an archaische Mythen als an moderne Superhelden erinnert.

Die Farbgebung unterstreicht die Stimmung perfekt: kalte Blautöne dominieren, unterbrochen von scharlachrotem Blut und warmen Rückblicken, die Logans innere Kämpfe illustrieren. Auch das Creature Design – sowohl der tierischen Begleiter als auch des mysteriösen Killers – überzeugt durch Eigenständigkeit und Detailverliebtheit.

Alte Wunden, neue Mythen

Wolverine: Ruf der Wildnis ist mehr als nur ein weiterer Soloauftritt des X-Men-Veteranen. Es ist eine Meditation über Trauma, Überleben und das animalische Erbe eines Mannes, der nie Frieden finden kann – aber trotzdem nie aufhört, danach zu suchen. Der Band versteht Wolverine als moderne Sagengestalt, eine Figur zwischen Mensch, Tier und Legende. Die Story ist kompakt, in sich geschlossen, aber voller Tiefe und Anspielungen auf Logans lange Historie.

Und obwohl der Band mit klassischen Zutaten spielt – Rückzug, Konfrontation, Rückschlag, Aufstehen –, fühlt er sich nie formelhaft an. Vielmehr gelingt es dem Kreativteam, Wolverine emotional zu entkleiden, ohne ihn zu entmystifizieren.

Fazit: Wild, melancholisch, meisterhaft

Wolverine: Ruf der Wildnis ist ein starker, atmosphärischer Neustart für Logan-Fans und Neueinsteiger gleichermaßen. Wer den Berserker einmal von seiner stillen, verletzlichen Seite erleben möchte, ohne auf die rohe Gewalt zu verzichten, bekommt hier einen der besten Wolverine-Solobände der letzten Jahre serviert.