Die Demokratie steckt in einer Krise – so viel ist unbestritten. Doch woran liegt es? In seinem Buch Zu dumm für die Demokratie?, erschienen im Droemer Verlag, stellt der ZEIT-Journalist Mark Schieritz eine zugespitzte, aber hochaktuelle These auf: Nicht nur die politischen Eliten, sondern auch die Wählerinnen und Wähler tragen Verantwortung für den Zustand der Demokratie. In einer Zeit, in der populistische und extremistische Parteien immer mehr Zulauf erhalten, setzt Schieritz an einem oft vernachlässigten Punkt an: der Rolle des Wahlvolkes selbst.
Inhalt und Argumentation
Schieritz beginnt mit einer kritischen Bestandsaufnahme der gegenwärtigen politischen Lage. Er widerspricht der weit verbreiteten Ansicht, dass die Krise der Demokratie ausschließlich auf das Versagen der politischen Akteure zurückzuführen sei. Stattdessen lenkt er den Fokus auf die Wählerschaft und hinterfragt, ob diese immer rational und im Sinne des demokratischen Gemeinwohls entscheidet.
Ein zentrales Argument des Buches ist, dass Demokratie nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten mit sich bringt. Schieritz plädiert für eine politische Kultur, die nicht nur von den Parteien, sondern auch von den Bürgerinnen und Bürgern getragen wird. Er argumentiert, dass populistische Parteien nicht allein aufgrund politischer Missstände erstarken, sondern weil ein Teil der Bevölkerung für ihre einfachen Antworten empfänglich ist. Damit greift er eine kontroverse, aber nicht unbegründete Debatte auf: Ist das Wahlvolk zu uninformiert, zu bequem oder gar zu manipulierbar, um verantwortungsvolle demokratische Entscheidungen zu treffen?
Besonders spannend sind seine Überlegungen zur „Haltung“ in der Demokratie. Laut Schieritz reicht es nicht aus, dass Institutionen demokratisch sind – sie müssen auch von einer demokratischen Gesellschaft getragen werden. Das bedeutet, dass Bürgerinnen und Bürger sich aktiv mit politischen Prozessen auseinandersetzen und ihre Entscheidungen nicht allein von kurzfristigen Emotionen oder Ängsten leiten lassen sollten.
Stil und Lesbarkeit
Schieritz schreibt pointiert, verständlich und mit einem klaren Gespür für gesellschaftspolitische Debatten. Er vermeidet es, in akademischen Jargon abzudriften, und macht seine Argumente anhand konkreter Beispiele greifbar. Dadurch bleibt das Buch auch für Leserinnen und Leser ohne politikwissenschaftlichen Hintergrund zugänglich. Gleichzeitig fordert er seine Leserschaft heraus, indem er unbequeme Fragen stellt und nicht davor zurückscheut, populäre Narrative zu hinterfragen.
Kritische Würdigung
Das Buch überzeugt durch seine klare Analyse und seine unbequeme, aber wichtige These. Schieritz bricht mit der verbreiteten Vorstellung, dass die Krise der Demokratie allein von oben – also von den Eliten – gelöst werden kann. Damit rückt er einen Aspekt ins Zentrum der Debatte, der oft übersehen wird: die Verantwortung jedes Einzelnen für das Funktionieren der Demokratie.
Allerdings könnte man einwenden, dass seine Argumentation stellenweise recht idealistisch wirkt. Die Annahme, dass eine stärkere demokratische Haltung innerhalb der Bevölkerung automatisch zu besseren politischen Entscheidungen führt, ignoriert strukturelle Probleme wie soziale Ungleichheit oder mediale Desinformation. Zudem bleibt offen, wie sich die von ihm geforderte Haltung konkret fördern lässt. Sollten etwa politische Bildung und Medienkompetenz stärker gefördert werden? Wären verpflichtende Wahlen eine Option? Hier hätte das Buch noch praxisnähere Vorschläge liefern können.
Fazit
Zu dumm für die Demokratie? ist ein kluges, provokantes und wichtiges Buch, das die Rolle der Wählerschaft in der Demokratie neu beleuchtet. Mark Schieritz fordert mehr Verantwortung von Bürgerinnen und Bürgern und plädiert für eine Kultur der demokratischen Haltung. Auch wenn einige seiner Thesen kontrovers diskutiert werden können, regt das Buch zu einer notwendigen Debatte an. Es ist eine klare Leseempfehlung für alle, die sich mit der Zukunft der Demokratie auseinandersetzen möchten – sei es aus politischer, gesellschaftlicher oder persönlicher Perspektive.