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Der Henker des Herzogs

Kai Lehmanns Der Henker des Herzogs, erschienen bei WBG Theiss, ist ein bemerkenswertes Werk, das einen einzigartigen Einblick in das Leben eines Scharfrichters der Frühen Neuzeit gewährt. Basierend auf den akribischen Aufzeichnungen von Johann Jeremias Glaser (1653–1725), entfaltet das Buch eine faszinierende Alltagsgeschichte, die sich weit über das Klischee des blutrünstigen Henkers erhebt.

Der Autor

Kai Lehmann, geboren 1971 in Schmalkalden, ist ein renommierter Historiker und Museumsdirektor der Museen im Zweckverband Kultur des Landkreises Schmalkalden-Meiningen sowie Leiter des Museums Schloss Wilhelmsburg. Er hat sich auf die Alltagsgeschichte vom 16. bis zum 18. Jahrhundert spezialisiert und arbeitet intensiv mit historischen Quellen wie Kirchenbüchern und persönlichen Aufzeichnungen einfacher Menschen. Sein Fachwissen und seine Leidenschaft für detailreiche historische Forschung machen ihn zu einem Experten auf diesem Gebiet.

Inhalt und Struktur

Das Buch beruht auf den detaillierten buchhalterischen Aufzeichnungen Glasers, die über Jahrzehnte hinweg sämtliche Einnahmen und Ausgaben seines Berufs- und Privatlebens festhalten. Lehmann ordnet diese Eintragungen historisch ein und ergänzt sie durch fundierte Hintergrundinformationen zu den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen der Zeit. Dabei geht es nicht nur um Glasers Einkünfte aus Hinrichtungen und Folter, sondern auch um seine Tätigkeit als Heiler sowie seine Ausgaben für Hochzeiten, Kleidung und Alltagsgegenstände. Dieser umfassende Blick auf Glasers Leben ermöglicht eine differenzierte Sichtweise auf einen Beruf, der oft nur mit Gewalt und Grausamkeit assoziiert wird.

Historischer Wert

Lehmann nutzt die Quelle meisterhaft, um die ökonomischen und sozialen Verhältnisse des 17. und frühen 18. Jahrhunderts zu beleuchten. Die Tatsache, dass Glaser nicht nur Henker, sondern auch Heiler war – eine damals nicht unübliche Doppelfunktion –, wirft ein neues Licht auf das Berufsbild des Scharfrichters. Besonders spannend ist, wie Lehmann die gesellschaftliche Stellung Glasers beschreibt: Einerseits war er als Henker stigmatisiert, andererseits aber als medizinischer Experte geschätzt.

Stil und Lesbarkeit

Trotz der wissenschaftlichen Basis bleibt Lehmanns Schreibstil zugänglich und anschaulich. Er versteht es, historische Fakten mit erzählerischem Geschick zu präsentieren, sodass die Lektüre nicht nur informativ, sondern auch spannend ist. Die zahlreichen Originalzitate aus Glasers Anschreibebuch verstärken die Authentizität des Werkes und lassen den Leser tief in die Zeit eintauchen.

Besondere Stärken


  • Einzigartige Quelle: Glasers Buchhaltung ist eine seltene historische Quelle, die selten so ausführlich analysiert wurde.
  • Detaillierte Einordnung: Lehmann liefert nicht nur eine bloße Transkription, sondern bettet die Zahlen in einen breiten historischen Kontext ein.
  • Vielschichtiges Porträt: Das Buch zeigt Glaser als Geschäftsmann, Familienvater und Außenseiter der Gesellschaft zugleich.

Fazit

Kai Lehmanns Der Henker des Herzogs ist ein herausragendes Beispiel für eine gelungene Verbindung von wissenschaftlicher Forschung und erzählerischer Darstellung. Es bietet nicht nur einen tiefgehenden Einblick in das Leben eines Scharfrichters der Frühen Neuzeit, sondern auch eine neue Perspektive auf die sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten der damaligen Zeit. Für Historiker, aber auch für allgemein historisch Interessierte, ist dieses Buch eine absolute Empfehlung.