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Das hohe Lied

Blu-ray-Review: Das hohe Lied (Regie: Rouben Mamoulian | Mit: Marlene Dietrich, Lionel Atwill, Brian Aherne | One Gate Media)


Mit Das hohe Lied präsentiert One Gate Media eine bemerkenswerte Wiederentdeckung klassischer Kinokunst erstmals auf Blu-ray – ein sinnlich aufgeladenes, psychologisch vielschichtiges Melodram von Rouben Mamoulian, das nicht nur Marlene Dietrich in einer ihrer eindringlichsten Rollen zeigt, sondern auch visuell und thematisch bis heute beeindruckt. Basierend auf dem Roman von Hermann Sudermann, gelingt dem Film eine packende Mischung aus Berliner Bohème, gesellschaftlicher Enge und einer zutiefst bewegenden weiblichen Selbstsuche.

Inhaltlich – Eine Frau zwischen Begehren und Besitz

Im Mittelpunkt steht Lily, gespielt von Marlene Dietrich mit jener charakteristischen Mischung aus Verletzlichkeit und kühler Würde, die sie zur Ikone des klassischen Kinos gemacht hat. Nach dem Tod ihres Vaters wird sie aus der provinziellen Sicherheit ihrer Heimat in die Welt der Großstadt geworfen – Berlin, hier nicht nur ein Ort äußerer Freiheit, sondern auch innerer Zerrissenheit. Die Begegnung mit dem Bildhauer Richard Waldo (Brian Aherne) bringt nicht nur ihre Schönheit, sondern auch ihre Sehnsucht nach Anerkennung und Liebe zum Vorschein. Doch während Waldo sich von ihr inspirieren lässt, scheut er vor echter Nähe zurück.

Dieser emotionale Rückzug bereitet den Boden für die verhängnisvolle Verbindung mit Baron von Merzbach – Lionel Atwill in einer eiskalt kalkulierten Rolle als patriarchaler Tyrann, der Lily nicht liebt, sondern besitzen will. Der Film erzählt auf subtile Weise von Machtverhältnissen, von der Objektifizierung der Frau und ihrem inneren Ringen um Selbstbestimmung. Dabei bleibt Lily keine passive Figur: Ihr Schmerz wird zur Triebfeder einer leisen, aber kraftvollen Emanzipation.

Inszenierung – Poesie der Schatten

Rouben Mamoulians Regie verbindet klassische Dramaturgie mit expressionistischer Bildsprache. Die sorgfältige Lichtsetzung, die kontrastreichen Schwarzweiß-Kompositionen und die fast schon tänzerische Kameraführung verleihen dem Film eine visuelle Eleganz, die weit über das hinausgeht, was viele Melodramen der frühen Tonfilmzeit bieten. Besonders die Szenen im Atelier – zwischen Skulpturen, Lichtreflexionen und Blicken – sind von einer sinnlichen Ästhetik, die bis heute nachwirkt. Es ist ein Film, der mehr zeigt als spricht, der Emotionen nicht nur benennt, sondern formt: in Licht, in Raum, in Bewegung.

Marlene Dietrich – facettenreich wie selten

Dietrich, die hier fernab der dominanten Femme fatale agiert, verkörpert Lily als vielschichtige Figur: scheu, neugierig, leidend, kämpfend. Ihre Wandlung von naiver junger Frau zur selbstreflektierten, verletzten, aber selbstbestimmten Persönlichkeit ist der emotionale Kern des Films. Gerade im Zusammenspiel mit Aherne und Atwill entfaltet sich ein emotionales Spannungsfeld, das durch Dietrichs nuanciertes Spiel glaubhaft und ergreifend bleibt.

Die Blu-ray-Veröffentlichung – eine würdige Präsentation

Die Blu-ray-Erstveröffentlichung von One Gate Media überzeugt mit einer sorgfältig restaurierten Bildqualität. Das Schwarzweißbild ist klar, mit guter Tiefenschärfe und stabilem Kontrast, was vor allem den fein abgestuften Licht- und Schattenkompositionen zugutekommt. Auch das Tonbild ist sauber, mit klar verständlichem Dialog und ausgewogenem Klang, wobei die musikalischen Passagen nie dominieren, sondern die emotionale Atmosphäre stimmig untermalen. Die Veröffentlichung macht dem filmhistorischen Wert dieses Werks alle Ehre und hebt seine zeitlose Ästhetik wirkungsvoll hervor.

Fazit:

Das hohe Lied ist weit mehr als ein klassisches Melodram. Es ist ein intensives, künstlerisch anspruchsvolles Porträt einer Frau auf der Suche nach Liebe, Würde und Freiheit – ein Film, der zugleich romantisch, tragisch und befreiend wirkt. Die brillante Leistung Marlene Dietrichs, Mamoulians stilbewusste Regie und die erstklassige Bildpräsentation der Blu-ray machen diese Veröffentlichung zu einem Muss für Cineasten, Liebhaber klassischer Filmkunst und Sammler historisch bedeutender Werke. Ein kraftvolles Loblied auf die weibliche Selbstbehauptung – und auf das Kino als Kunstform.