Geschichten aus der Marvel-Gruft bringt eine Tradition zurück, die Marvel in unregelmäßigen Abständen immer wieder aufleben lässt: kurze, abgeschlossene Horrorstorys, in denen das Superhelden-Universum auf klassische Gruselmythen trifft. Der Band vereint vier Ausgaben der modernen Crypt of Shadows-Reihe – und liefert damit nicht nur eine Hommage an alte Schauerhefte, sondern auch ein Experimentierfeld, in dem sich bekannte Figuren wie Moon Knight, Hulk und Deadpool in Situationen wiederfinden, die weit über ihre üblichen Abenteuer hinausgehen.
Der Reiz dieses Sammelbands liegt vor allem in der Mischung: Jede der enthaltenen Geschichten erzählt einen eigenen kleinen Albtraum, visuell und erzählerisch unabhängig, aber immer mit dem typischen Marvel-Tonfall, der Horror und Humor, Action und Gänsehaut miteinander verschränkt. Mal stehen Werwölfe und Vampirlegenden im Mittelpunkt, mal finstere Rituale oder dämonische Überraschungen, mal der psychologische Horror, der zwischen den Panels lauert. Dass diese Miniaturen von namhaften Kreativen wie Al Ewing, Benjamin Percy oder Alex Lins inszeniert wurden, merkt man sofort: Trotz Kürze gelingt es ihnen, innerhalb weniger Seiten Atmosphäre, Spannung und einen erkennbaren „Hook“ zu erzeugen.
Dabei variiert der Band gekonnt zwischen düsterer Mystery, pulpigem Gruselspaß und schwarzem Humor – besonders dann, wenn Figuren wie Deadpool auftreten, der das Horrorgenre eher kommentiert als fürchtet. Ganz anders funktionieren die Beiträge mit Moon Knight oder Hulk, die stärker ins Unheimliche eintauchen und die Frage stellen, wer hier eigentlich das Monster ist: die Gestalt aus der Gruft – oder der Held selbst. Diese Mischung aus vertrauten Figuren und neuen, übernatürlichen Bedrohungen macht einen großen Teil des Lesevergnügens aus: Man weiß nie genau, welche Art Horror einen im nächsten Kapitel erwartet.
Grafisch zeigt der Band große stilistische Bandbreite. Jede Geschichte hat ihren eigenen Look: mal kratzig und schattensatt, mal bunt und überdreht, mal symbolisch reduziert. Das sorgt dafür, dass man nicht einfach viermal dieselbe Struktur in anderem Kostüm liest, sondern ein kleines Anthologie-Erlebnis bekommt – wie eine Horrorserie, die in jeder Folge neu denkt, was Angst auslöst. Gerade Fans von One-Shots, stilistischen Experimenten und abgeschlossenen Kurzformaten kommen hier voll auf ihre Kosten.
Wer Horror im Superheldenkontext liebt – oder wer sich wünscht, dass Marvel ab und zu wieder die Grenzen des klassischen Team-Up- oder Event-Erzählens sprengt –, findet in diesem Band ein charmant-schauriges Highlight, das sich perfekt für dunkle Jahreszeiten, stille Abende oder das Grusel-Lesen zwischendurch eignet. Die Geschichten sind zugänglich, brauchen kaum Vorwissen und zeigen, wie flexibel das Marvel-Universum sein kann, wenn man ihm Platz für Genre-Spielereien gibt.
Geschichten aus der Marvel-Gruft ist keine große Saga, kein Meilenstein, kein Kanon-Update – aber genau darin liegt seine Stärke: Es ist ein kurzweiliger, stilistisch abwechslungsreicher Horror-Snack für Marvel-Fans, die Lust auf etwas Unheimliches haben. Der perfekte Band, wenn man Superhelden kennt – und sie mal in einem anderen Licht sehen will. Oder besser gesagt: im Schatten.
Die an dieser Stelle vorgesehenen Inhalte können aufgrund Ihrer aktuellen Cookie-Einstellungen nicht angezeigt werden.
Diese Webseite bietet möglicherweise Inhalte oder Funktionalitäten an, die von Drittanbietern eigenverantwortlich zur Verfügung gestellt werden. Diese Drittanbieter können eigene Cookies setzen, z.B. um die Nutzeraktivität zu verfolgen oder ihre Angebote zu personalisieren und zu optimieren.
Diese Webseite verwendet Cookies, um Besuchern ein optimales Nutzererlebnis zu bieten. Bestimmte Inhalte von Drittanbietern werden nur angezeigt, wenn die entsprechende Option aktiviert ist. Die Datenverarbeitung kann dann auch in einem Drittland erfolgen. Weitere Informationen hierzu in der Datenschutzerklärung.