Nextgengamersnet
Games, Movies and more
 
 
 


Mit der neuen Agatha Christie Collection veröffentlicht Studiocanal eine Edition, die sich ganz bewusst an Sammler, Filmhistoriker und Liebhaber klassischer Kriminalfilme richtet. Fünf große Christie-Verfilmungen, die Kinogeschichte geschrieben haben oder heute als unterschätzte Geheimtipps gelten, liegen erstmals in einem einheitlichen, sorgfältig restaurierten 4K-Set vor. Die Box umfasst Mord nach Maß (Endless Night, 1972), Mord im Orient-Express (1974), Tod auf dem Nil (1978), Mord im Spiegel (1980) und Das Böse unter der Sonne (1982) – und begleitet jeden Film mit einer Blu-ray, umfangreichen Extras und einem bemerkenswert ausgestatteten Sammlerrahmen.


Schon der äußere Eindruck vermittelt den Anspruch der Edition: wertige Materialität, ein einheitliches Design und die klare Botschaft, hier eine Ära klassischer Whodunits in bestmöglicher Form zusammenzuführen. Besonders für Christie-Fans, die sich seit Jahren hochwertigere Neuauflagen der klassischen Kinoadaptionen wünschen, wirkt diese Veröffentlichung wie ein verspätetes Geschenk.


Der Gesamtcharakter der Edition


Was sofort auffällt, ist der Restaurationsanspruch. Studiocanal setzt nicht nur auf die reine UHD-Auflösung, sondern präsentiert jeden Film als neues 4K-Remaster, sichtbar bereinigt, filmisch respektvoll behandelt und mit erkennbarem Augenmerk auf natürliche Farben, feine Körnung und einen organischen Look. Wer diese Filme bisher nur aus älteren DVD-Ausgaben oder mäßig gealterten Blu-ray-Transfers kennt, wird überrascht sein, wie frisch, klar und präzise sie wirken können, ohne jemals ihren analogen Charakter zu verlieren. Gerade Filme aus den 70er- und frühen 80er-Jahren können – wenn man unsensibel remastert – schnell flach oder künstlich aussehen; diese Edition verhindert das, indem sie das ursprüngliche Material ernst nimmt.


Hinzu kommt ein Bonuspaket, das für klassische Kriminalfilme ungewöhnlich umfangreich ist: Audiokommentare, historische und neu produzierte Interviews, mehrere Featurettes, Making-Of-Beiträge, Blicke hinter die Kulissen, entfernte Szenen, Fotogalerien und sogar ein Video-Essay bieten ein vielschichtiges Bild der Produktionen. Das ist nicht selbstverständlich, denn viele dieser Filme hatten in der Vergangenheit nur minimale Zusatzmaterialien. Hier hingegen entsteht eine kollektive Kontextualisierung, die die Box nicht nur als Filmsammlung, sondern als kleines Filmarchiv erscheinen lässt.


Die Filme im Detail


„Mord nach Maß“ – Endless Night (1972)


Der ungewöhnlichste Film der Sammlung ist zugleich derjenige, der am meisten unterschätzt wurde. Mord nach Maß ist keine typische Christie-Geschichte mit exzentrischem Detektiv, sondern ein psychologischer Thriller, der sich Schritt für Schritt in dunklere Gefilde bewegt. Die Atmosphäre ist dicht, beinahe unheimlich; der Film erzählt eine Geschichte über Sehnsüchte, soziale Unterschiede und die manipulative Kraft obsessiver Beziehungen.


Die neue Restaurierung bringt gerade diesen psychologischen Ton stärker zur Geltung: Die feinen Farbnuancen und das natürliche Filmkorn betonen die fragile Stimmung, während die Schärfesteigerung besonders Interiors und Charakterstudien zugutekommt. Der umfangreiche Bonusbereich verleiht dem Film zudem eine Wertschätzung, die ihm bislang gefehlt hat. Interviews und Hintergrundberichte offenbaren, wie ambitioniert dieses Werk tatsächlich war.


„Mord im Orient-Express“ (1974)


Der große Prestige-Film der Box – und einer der bekanntesten Christie-Stoffe überhaupt. Sidney Lumets aufwendig produzierte Starparade wirkt auch heute noch wie ein Meisterstück des Ensemble-Kinos. Albert Finney interpretiert Poirot auf theatralische, fast opernhafte Weise, während das restliche Ensemble eine Eleganz verströmt, wie sie nur in klassischen 70er-Jahre-Produktionen zu finden ist.


Die 4K-Fassung ist für diesen Film eine Offenbarung. Die filigranen Details der Kostüme, die Struktur der Zugabteile, die feinen Hauttöne und die kühlen Winterlandschaften entfalten im neuen Transfer eine Klarheit, die selbst hochwertige Blu-rays bislang nicht erreichen konnten. Auch die Tonspur wirkt frisch und besser ausbalanciert – besonders in Dialogszenen, die in dieser Inszenierung eine tragende Rolle spielen.


Das Bonusmaterial konzentriert sich hier stark auf Produktionsgeschichte und Design. Ein Video-Essay zur Filmadaption historisiert die Bedeutung der Version, während Interviews mit Crew-Mitgliedern zeigen, wie akribisch Lumet arbeitete. Für Filmhistoriker wird diese Disc zu einem kleinen Schatz.


„Tod auf dem Nil“ (1978)


Dieser Film ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil des Orient-Express-Abenteuers: sonnendurchflutet, exotisch, opulent. Die ägyptischen Schauplätze werden in dieser Verfilmung nicht nur als Kulisse genutzt, sondern als zweiter Hauptdarsteller. Das macht Tod auf dem Nil zu einem der visuell beeindruckendsten Christie-Filme überhaupt.


Gerade deshalb profitieren diese Aufnahmen enorm vom 4K-Remaster. Die hellen Lichtbedingungen, Wasserreflexionen, Sandstrukturen und die Architektur wirken plötzlich erstaunlich zeitlos. Die Bildtiefe steigt, und kleine Details – etwa die Muster auf Kleidern oder die Struktur der Schiffsdecks – lassen den Film lebendiger wirken. Auch die Farben wurden sichtbar balanciert, ohne dass die warme, klassische 70er-Jahre-Farbpalette verloren geht.


Das Bonusmaterial dieser Disc widmet sich besonders den Locations und dem aufwendigen Produktionsprozess, was hervorragend zu diesem filmischen Reiseabenteuer passt.


„Mord im Spiegel“ – The Mirror Crack’d (1980)


Diese Adaption schlägt einen ruhigen, fast melancholischen Ton an. Die Besetzung – unter anderem mit Angela Lansbury, Elizabeth Taylor und Kim Novak – verleiht dem Film eine ungewöhnliche Mischung aus Glamour und Tragik. Das Drama zwischen den Figuren ist hier wichtiger als die reine Rätselstruktur, wodurch der Film emotional dichter wirkt als viele frühere Christie-Adaptionen.


In 4K entfalten vor allem die vielen Nahaufnahmen und Porträtszenen eine neue Intensität. Die Gesichter wirken natürlicher, die Lichtsetzung klarer, ohne dass die charakteristische Weichheit des Filmmaterials verloren ginge. Die Restaurierung bewahrt den nostalgischen Ton, erhöht aber die visuelle Präzision.


Die Extras beleuchten insbesondere die Hintergründe der Besetzung und die Herausforderungen dieser eher dramatischen Adaption. Für Liebhaber klassischer Hollywood-Ikonen ist gerade diese Disc ein Highlight.


„Das Böse unter der Sonne“ – Evil Under the Sun (1982)
Als heiterstes Werk der Sammlung bietet Das Böse unter der Sonne sonnige Mittelmeeratmosphäre, lebhaften Ensemblehumor und eine elegante Krimistruktur. Der Film ist leichtfüßig, aber nicht seicht – ein sommerlicher Christie zum Wohlfühlen mit einer pointierten Mischung aus Ironie und Spannung.


Gerade die strahlenden Farben und die luxuriösen Inselkulissen profitieren hier vom 4K-Format. Das Bild wirkt warm, hell, lebendig, aber nie übersättigt. Die Restaurierung bringt eine Natürlichkeit hervor, die älteren Home-Video-Versionen stets etwas gefehlt hat.
Das Bonusmaterial liefert Making-Ofs und Behind-the-Scenes-Material, die die mediterrane Produktion wunderbar ergänzen. Ein ausgesprochen charmanter Abschlussfilm innerhalb der Box.


Gesamtfazit zur Edition


Die Agatha Christie Collection von Studiocanal ist eine der stärksten klassischen Film-Boxen der letzten Jahre. Sie vereint fünf Filme, die gemeinsam eine Ära definieren: eine Mischung aus Starpower, sorgfältiger Regiearbeit, handwerklicher Filmkunst und stilprägender Kriminaldramaturgie. Die 4K-Remaster geben den Werken jene Frische und Tiefe zurück, die man lange nur in restaurierten Kinokopien erwarten konnte.


Das Bonusmaterial bietet einen realen Mehrwert und überschreitet deutlich den üblichen Standard vergleichbarer Veröffentlichungen. Interviews, umfangreiche Featurettes und insbesondere das Filmessay schaffen eine Kontextualisierung, die die Box nicht nur als Unterhaltung, sondern als filmhistorisch relevante Edition erscheinen lässt.


Für Fans klassischer Detektivgeschichten, Liebhaber traditioneller Kinematografie und Sammler hochwertiger physischer Medien ist diese Collection ein nahezu idealer Kauf. Sie verbindet ästhetischen Genuss, cinephilen Wert und archivierende Sorgfalt – und schafft es damit, Agatha Christies Filmwelt in einer Form zu präsentieren, die sowohl nostalgisch als auch modern wirkt.