Project Motor Racing für die PS5 ist ein ungewöhnlich kompromissloses Rennspiel – eines, das sich weigert, Motorsport zu vereinfachen oder zu glätten, um „zugänglicher“ zu wirken. Stattdessen legt es eine bemerkenswerte Treue zum echten Rennsport an den Tag und baut sein Erlebnis konsequent von innen heraus auf: vom Lenkradgefühl, über die Physik, bis hin zur Art, wie der Asphalt während eines Rennens förmlich unter den Reifen lebt. Schon nach wenigen Minuten spürt man, dass hier Entwickler am Werk waren, die nicht nur Rennspiele machen, sondern Motorsport leben.
Herzstück des Spiels ist die neue Hadron-Physik-Engine. Sie vermittelt eine Direktheit und Nuanciertheit, die man sonst nur von High-End-PC-Sims kennt. Jede der 70 sorgfältig nachgebildeten Wagen fühlt sich eigen an: leichter Schlupf, Lastwechsel, Temperaturveränderungen, Reifenkräfte – all das schlägt ungefiltert am Force Feedback auf. Das beeindruckt besonders mit einem Lenkrad, zeigt aber auch am Controller eine überraschende Präzision. Nichts wirkt übertrieben oder künstlich verstärkt. Man hat vielmehr das Gefühl, permanent in einem Dialog mit dem Auto zu stehen, das jeden Fehler ehrlich zurückmeldet und jeden sauber gesetzten Lenkimpuls belohnt.
Zum Realismus gesellt sich mit True2Track eine der überzeugendsten Umsetzungen dynamischer Streckenbedingungen. Regen, wechselnde Temperaturen, trocknende Linien und sich entwickelnde Gummibeläge verändern nicht nur die Optik, sondern die komplette Art und Weise, wie man ein Rennen angeht. Selbst ein kurzer Sprint bei variablem Wetter kann sich über wenige Runden komplett wandeln. Aufsteigende Gischt, wachsende Pfützen und das nervöse Zucken des Hecks in einem nassen Spa oder Bathurst erzeugen eine Intensität, die man selten in einem Rennspiel erlebt. Die Cockpits, in denen G-Kräfte, Hitzeverzerrungen und Vibrationen sichtbar werden, verstärken dieses Gefühl ständiger physischer Präsenz zusätzlich.
Während viele Rennspiele Karriere-Modi als lineare Fortschrittsleiter behandeln, schlägt Project Motor Racing einen ganz eigenen Weg ein. Die Karriere ist ein Überlebenskampf – weniger ein Aufstieg, mehr ein permanentes Abwägen von Risiken und Ressourcen. Man entscheidet, wo das eigene Team stationiert ist, welche Fahrzeuge man sich leisten kann, welche Sponsoren man wählt und wie sehr man bereit ist, für Ehrgeiz auch finanzielle Schäden zu riskieren. Vor allem im „Authentic“-Modus kann man keine Rennen neu starten, und die KI fährt unnachgiebig auf Profiniveau. Ein misslungener Start, ein zu aggressives Manöver, ein Fehler im Regen – all das hat Konsequenzen. Diese Härte mag manche überraschen, doch sie macht die Karriere zu einer der glaubwürdigsten Motorsport-Simulationen der letzten Jahre.
Abseits der Kampagne bietet Project Motor Racing zwei clevere asynchrone Modi, die sich als perfekte Ergänzung erweisen: Factory Driver und Endurance Hall. Der erste fordert schnelle Hotlaps, der zweite komplette Langstrecken-Stints – jeweils ohne Lobbys oder Wartezeiten, dafür mit globalen Bestenlisten. Damit schafft das Spiel einen zugänglichen und dennoch anspruchsvollen Wettbewerb für jene, die nicht ständig online fahren wollen, aber dennoch den Reiz haben, sich direkt mit anderen zu messen.
Auch inhaltlich liefert das Spiel eine beeindruckende Bandbreite. 70 Fahrzeuge aus 13 Klassen, darunter GT3, GT1, LMP-Prototypen oder Klassiker wie der Lister Storm oder der Mazda MX-5 Cup, sorgen für enorme Vielfalt. Die 18 globalen Rennstrecken – von Daytona über Lime Rock Park bis hin zur Nordschleife – sind sorgfältig umgesetzt und wirken dank der lebendigen Wetter- und Track-Effekte so intensiv wie selten zuvor. Die Soundkulisse, getragen von Stephen Baysteds charakteristischem, atmosphärischem Score, verbindet brutale Motorenklänge mit einer fast cineastischen Dramatik.
Technisch läuft die PS5-Version stabil und sauber, auch wenn man dem Titel ansieht, dass er funktional und klar auf Simulation ausgerichtet ist, nicht auf grafischen Bombast um jeden Preis. Dafür überzeugt er mit klaren Sichtverhältnissen, glaubwürdigen Effekten, gut lesbaren Cockpits und flüssiger Performance. Die Bedienung ist logisch strukturiert, bietet viele Einstellungsmöglichkeiten und hält dennoch die Menüführung angenehm übersichtlich.
Was Project Motor Racing besonders macht, ist seine Haltung: Es ist ein Spiel, das seine Spieler ernst nimmt. Es erwartet Konzentration, Lernbereitschaft und Respekt vor dem Sport – und gibt dafür eines der intensivsten und kompromisslosesten Rennspielerlebnisse zurück, die man derzeit auf Konsole finden kann. Es ist nichts für diejenigen, die „mal eben“ ein paar Runden drehen wollen, doch für Sim-Racing-Enthusiasten ist es ein Geschenk: ein modernes, leidenschaftlich konstruiertes Motorsport-Erlebnis, das nachhallt.
Project Motor Racing ist kein bequemes Spiel, aber ein außergewöhnliches – eines, das zeigt, wie nah eine Konsole heute an professionelle Simulation heranreichen kann.