Mark Waids „Superman: Die letzten Tage von Lex Luthor“ ist eine eindringliche, zugleich spektakuläre wie zutiefst persönliche Superman-Geschichte, die sich mit dem Herzstück einer jahrzehntelangen Rivalität auseinandersetzt: der toxischen, aber faszinierenden Beziehung zwischen Superman und Lex Luthor. Der bei Panini als hochwertiges Hardcover erschienene Band versammelt die dreiteilige Miniserie und präsentiert eine Erzählung, die weit über klassische Superheldenaction hinausgeht und sich vor allem psychologisch mit der Frage beschäftigt, was Heldenhaftigkeit in ihrer reinsten Form bedeutet.
Die Ausgangssituation ist ungewöhnlich und sofort fesselnd. Lex Luthor ist todkrank – nicht durch einen Unfall oder einen fehlgeschlagenen Plan, sondern durch eine mysteriöse, unheilbare Krankheit, deren Ursprung selbst für seine größten Gegner zunächst ein Rätsel bleibt. In seiner Verzweiflung wendet er sich ausgerechnet an Superman, den Mann, den er seit Jahren bekämpft, gedemütigt und immer wieder bis an seine Grenzen geführt hat. Die bittere Ironie, dass Luthor genau auf denjenigen angewiesen ist, den er am meisten verachtet und dessen Existenz er stets infrage gestellt hat, verleiht der Geschichte eine tiefe emotionale Komponente.
Besonders stark ist Waids Darstellung von Superman, der selbstverständlich versucht zu helfen, ohne zu zögern, ohne zu richten und ohne nach Vergeltung zu trachten. Gerade diese bedingungslose Hilfsbereitschaft, die für Superman so charakteristisch ist, wird hier noch einmal auf eine harte Probe gestellt. Moralisch steht er zwischen Pflichtgefühl und dem stillen Zweifel, ob die Welt nicht tatsächlich sicherer wäre, wenn Luthor seinem Schicksal überlassen würde. Diese Gratwanderung macht den Comic zutiefst menschlich. Superman wird nicht als überhöhter Halbgott gezeigt, sondern als jemand, der mit seinen eigenen Widersprüchen ringt, ohne seinen moralischen Kompass zu verlieren.
Lex Luthor wiederum ist vielleicht interessanter denn je. Seine Arroganz, seine manipulative Art und sein verletzter Stolz sind ungebrochen, selbst angesichts des Todes. Doch hinter dieser Fassade blitzt immer wieder ein Komplex aus Minderwertigkeit, Geltungsdrang und besessener Rivalität auf. Mark Waid gelingt es, Luthor nicht zu entschuldigen, aber zu erklären – und ihn dennoch als das darzustellen, was er immer war: ein brillanter, gefährlicher und zutiefst beschädigter Mensch, der sich selbst zum schlimmsten Feind geworden ist. Die Frage, ob er tatsächlich gerettet werden will oder nur ein letztes Mal die Kontrolle behalten möchte, durchzieht das gesamte Werk.
Als eine größere Bedrohung auftaucht, die die gesamte Menschheit in Gefahr bringt, verlagert sich der Fokus von der persönlichen Auseinandersetzung auf eine Geschichte mit kosmischer Dimension, wie man sie von Superman erwartet. Doch selbst in den spektakulärsten Momenten bleibt der emotionale Kern bestehen: die Frage, ob zwei Erzrivalen für einen kurzen Moment ihre Rollen ablegen können. Waids Erzählweise ist dabei zugleich nostalgisch und modern. Sie ruft klassische Superman-Themen auf, ohne sich in reiner Hommage zu verlieren, und vermittelt dennoch das Gefühl, Zeuge eines zeitlosen, fast mythischen Konflikts zu sein.
Bryan Hitchs Zeichnungen tragen entscheidend zur Wucht des Comics bei. Seine großformatigen Panels, die detailreichen Figuren und die cineastische Inszenierung verleihen der Geschichte epischen Charakter. Hitch versteht es wie kaum ein anderer, Superman als monumentale, aber dennoch greifbare Figur darzustellen. Besonders die Szenen im All oder in fremden Dimensionen entfalten eine beeindruckende Größe, während die ruhigeren Momente zwischen Superman und Lex durch subtile Mimik und Körpersprache eine enorme Intensität erhalten.
„Superman: Die letzten Tage von Lex Luthor“ ist letztlich eine Geschichte über Verantwortung, Vergebung und die Frage, was es bedeutet, ein Held zu sein – gerade dann, wenn niemand es einem danken würde. Mark Waid und Bryan Hitch liefern eine eindrucksvolle Graphic-Novel-Erfahrung, die sowohl eingefleischte Superman-Fans als auch Leserinnen und Leser anspricht, die vor allem an charaktergetriebener Erzählkunst interessiert sind. Es ist eine Saga, die die Grenzen von Gut und Böse nicht auflöst, sie aber klarer und gleichzeitig menschlicher erscheinen lässt. Ein Werk, das dem Mythos Superman gerecht wird und Lex Luthor in einem Licht zeigt, das man so intensiv selten gesehen hat.