Der Auftakt einer neuen Thrillerreihe ist immer ein Versprechen – und Jan Beck hält es mit Dorn – Zimmer 103 auf bemerkenswerte Weise ein. Sein erster Fall für das Ermittlerduo Simon Dorn und Lea Wagner verbindet atmosphärische Düsternis, psychologische Tiefe und rasantes Spannungstempo zu einem Thriller, der lange nachhallt. Beck zeigt erneut, warum er zu den zuverlässigsten Größen des deutschsprachigen Spannungsgenres gehört.
Ein Hotel voller Schatten – und ein Ermittler am Abgrund
Im Zentrum steht der Kriminalpsychologe Simon Dorn, dessen Leben von persönlichen Verlusten und professionellen Enttäuschungen gezeichnet ist. Nach seinem Ausstieg aus dem Polizeidienst zieht er sich in das leerstehende, verfallene Hotel Dornwald in Bad Gastein zurück – ein Schauplatz, der so eindringlich beschrieben ist, dass er selbst zur Figur wird.
Zimmer für Zimmer verwandelt Dorn das Hotel in eine Art makabres Museum ungelöster Mordfälle. Die morbide Symbolik dieses Schaukastens der Vergangenheit zieht sofort in den Bann: Es ist ein Ort des Schweigens, der Erinnerungen und der Dämonen, die Dorn nicht loslassen. Beck schafft damit eine Atmosphäre, die zwischen Gänsehaut und Faszination pendelt.
Die einzige Verbindung zur Außenwelt ist Karla Hofbauer vom Cold-Case-Management des BKA Wien. Ihre Ermordung in Hamburg ist der Wendepunkt der Geschichte – ein Verbrechen, das wie ein Riss durch Dorns isolierte Welt geht und die Handlung in Bewegung setzt.
Ein ungewolltes Team – und ein Killer ohne Grenzen
Mit Lea Wagner führt Beck eine Figur ein, die Simon Dorn hervorragend ergänzt. Die junge Kriminalpolizistin folgt Hofbauers Spur nach Bad Gastein, stößt dort auf Dorn und wird gegen ihren Willen zur Partnerin wider Willen. Doch gerade diese unfreiwillige Zusammenarbeit trägt die Geschichte: Lea ist impulsiv, zielstrebig, weniger von inneren Abgründen zerfressen, aber keineswegs naiv.
Das Zusammenspiel zwischen Dorn und Wagner wirkt nie konstruiert, sondern lebt von Reibung, Skepsis und einem wachsenden gegenseitigen Respekt. Während Dorn von seinen Traumata getrieben wird, ist Lea die Figur, die ihn immer wieder zurück in die Realität, in die Gegenwart des Falles zieht. Beck versteht es, ihre Charaktere so zu gestalten, dass man sowohl mit ihnen als auch zwischen ihnen Spannung erlebt.
Der Serienkiller, den die beiden jagen, ist von internationalem Format – ein Täter ohne geografische oder moralische Grenzen. Beck führt seine Leserschaft durch verschiedene Ermittlungsebenen, Hinweise und falsche Fährten. Dabei vermeidet er überzogene Brutalität; vielmehr legt er Wert auf psychologisches Grauen, perfide Methoden und das Motivgeflecht hinter dem Täter. Die Enthüllungen sind klug gesetzt und steigern sich zu einem Finale, das zugleich beklemmend und befriedigend ist.
Spannung, Stil und Sogwirkung
Jan Becks Stil ist klar, präzise und schafft mühelos eine dichte Atmosphäre. Besonders hervorzuheben ist die Art, wie er Lokalkolorit nutzt: Bad Gastein, Wien, Hamburg – alle Schauplätze wirken authentisch und tragen zum Thriller-Feeling bei, ohne je wie touristische Kulisse zu wirken.
Die Struktur des Romans – wechselnde Perspektiven, geschickt platzierte Cliffhanger, kurze dynamische Kapitel – sorgt für eine hohe Sogwirkung. Man will einfach weiterlesen. Auch thematisch ist das Buch überzeugend: Es beschäftigt sich mit der Frage, wie viel Dunkelheit ein Mensch ertragen kann, bevor er selbst darin verschwindet, und wie Vergangenes das Hier und Jetzt bestimmt.
Auftakt mit Potenzial – und ein Muss für Beck-Fans
Mit Dorn – Zimmer 103 beginnt Jan Beck eine neue Thrillerreihe, die sich gleichzeitig vertraut und frisch anfühlt. Fans seiner Reihe um Björk und Brand werden sich sofort zu Hause fühlen – und zugleich neue Facetten seines Schreibens entdecken. Simon Dorn und Lea Wagner haben das Potenzial, ein starkes, langfristig fesselndes Duo zu werden, dessen Dynamik sowohl emotional als auch erzählerisch überzeugt.
Fazit
Dorn – Zimmer 103 ist ein atmosphärisch starker, psychologisch vielschichtiger und hochspannender Thriller, der den Einstieg in eine neue Reihe außergewöhnlich souverän meistert. Mit dem verstörenden Setting des Hotels Dornwald, zwei komplexen Hauptfiguren und einem skrupellosen Serienkiller gelingt Jan Beck ein Roman, der Thriller-Fans begeistern wird – und Vorfreude auf die kommenden Fälle weckt.